Heute ist Weltfrauentag. Das hat zur Folge, dass aus allen Ecken und Enden sich die Herrn in Sachen Gleichberechtigung überschlagen. Von den Bundespräsidentenkandidaten bis hin zum ORF überall wird die Frau gepriesen. Es ist ähnlich wie der Muttertag. Einmal im Jahr wird gelobt und gefeiert. Der Mutter das Frühstück ans Bett gebracht und ihr Geschenke gemacht. Und danach wird zum Alltag übergegangen.

Gestern habe ich den Film „Suffragette, Taten statt Worte“ gesehen. In diesem Film wird ein entscheidender Teil der Britischen Suffragetten Geschichte beleuchtet. Relativ unaufgeregt kann man beobachten wie sich eine brave Wäscherin, Mutter und Ehefrau, zu kämpferischen Suffragette entwickelt. Am Ende ist sie dabei wie Emily Wilding Davison sich vor des Königs Pferd wirft und damit zur Märtyrerin der Bewegung wird. Zu Ihrem Begräbnis säumen tausende Menschen den Trauerzug von weiß gekleideten Suffragetten. Sicher ein Meilenstein der Frauenbewegung.

Als Zuschauerin, 113 Jahre später, kommen einem, im ersten Moment, die eigenen Gleichberechtigungsprobleme auf einmal ziemlich klein vor. Wir dürfen uns wehren, wenn der Vorgesetzte uns begrapscht, kein Ehemann kann unsere Kinder einfach zur Adoption frei geben, Vergewaltigung ist Vergewaltigung egal ob verheiratet oder nicht, wir haben eigene Konten, das Geld das wir verdienen gehört uns und ja wir dürfen wählen. Also warum regen wir uns eigentlich noch auf?

Because it´s 2016! Noch immer sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert, noch immer verdienen Frauen weniger als Männer, noch immer ist es die Frau die die Hauptlast der Familienarbeit trägt. Und vor allem, egal was eine Frau macht, einer der Rollen die unsere Gesellschaft von ihr erwartet wird immer vernachlässigt. Und damit gilt sie als unzureichend. Eine Frau die Kinder hat und arbeiten geht ist eine Rabenmutter, eine Frau die zu Hause bleibt und sich um ihre Kinder kümmert ist faul und eine Frau die keine Kinder hat, ist entweder ein Karriereweib, vom Schicksal geschlagen und hat vor allem grundsätzlich ihre Bestimmung verfehlt. Und wenn sie dann auch noch Single ist, stimmt sicher was nicht mit ihr.

Welcher Mann der eine hohe Position übernimmt wird gefragt wie er seine Familie mit dem neuen Job in Einklang bringen will. Welcher junge Mann wird zu Beginn seiner Karriere gefragt wie seine Familienplanung denn aussieht? Anders rum gefragt muss auch festgehalten werden das Männer die in Karenz gehen wollen schräg angeschaut werden, Männern die Kindergärtner sein wollen wird grundsätzlich misstraut, diese Beispiele gibt es selbstverständlich auch. Und sind genauso falsch, Gleichberechtigung muss in beide Richtungen funktionieren.

Deshalb: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss eine Elternfrage werden – kein Frauenthema. Gleiche Arbeit – Gleicher Lohn. Frauen in technischen Berufen und Männer in Pflege und Sozialberufen müssen selbstverständlich sein. Vorstände und Aufsichtsräte müssen für beide Geschlechter zugänglich sein, 25% Frauen in Führungspositionen ist einfach zu wenig.

Maud Watts die fiktive Hauptfigur in dem Film sagt zu einem der Polizisten, die sie einsperren, zwangsernähren und schlagen: „Was wollen sie den tun, uns alle einsperren? Wir sind in jedem Haus, wir sind die Hälfte der Menschheit, Sie können uns nicht aufhalten!“ Dieser Stärke bewusst müssen wir den Weg der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung im Andenken an diese Frauen weitergehen.

Zu Beginn des Films „Suffragette“ bekommt die Heldin die Möglichkeit ihr Frauenschicksal im Parlament zu schildern. In eindringlichen Worten erzählt sie ihre Geschichte. Die Männer hören verständnisvoll zu, versichern das Problem zu verstehen um dann später gegen das Wahlrecht zu stimmen. Ähnlichkeiten zu den heutigen Lobpreisungen und Beschwörungen der Gleichberechtigung sind durchaus zu erkennen. Es gibt keinen König mehr, vor dessen Pferd Frau sich werfen kann. Und wir wollen auch keine Briefkästen mehr in die Luft sprengen, aber genau deshalb gilt für die Männer lasst Euren heutigen Worten und Versicherungen auch Taten folgen! Wir Frauen haben den Feminismus gelernt – es sind die Männer die ihn jetzt lernen müssen.


Es häuft sich in der letzten Zeit eine wunderbare Floskel: „Ich bin kein Politiker.“ oder  „Ich möchte keine Politikerin sein.“ Durchaus verständlich, wenn Menschen nicht den Berufswunsch Politiker haben. Seit Alfred Gusenbauer in der Sandkiste davon träumte Bundeskanzler zu werden, hat kein österreichischer Politiker zugegeben, dass er/sie schon von Kindesbeinen davon träumt Politiker oder Politikerin zu sein. Eigentümlich finde ich Aussprüche dieser Art, wenn sie von Leuten kommen die eindeutig Politiker/Politikerin sind! Abgeordnete zum Nationalrat, Obleute von Parteien oder auch Generalsekretäre sind nach meinem Berufsverständnis Politiker bzw. Politikerinnen. Es mag der populistische Glaube herrschen, wenn ich sage ich bin´s nicht, dann glauben mir die Wähler das auch. Statt das jemand aufsteht und sagt: „ich habe mich entschieden Politik zu machen, ich will gute Politik machen und damit auch das Image der Politiker als solches verbessern!“ Das wäre übrigens MUTIG!

Wer kein Politiker ist muss sich auch an keine Ideologie halten, ist die nächste Schlussfolgerung vieler Politiker mit ihrem neuen Selbstverständnis. „Wir sind eine Ideologiefreie Partei!“ – „Wir haben Werte!“ – „Wer die richtigen Werte hat, ist bei uns willkommen.“ Bei solchen Aussagen wird mir schlichtweg schlecht. Woher kommen die Werte? Was sind Werte? Auf welcher Basis komme ich zu meinen Werten? Ohne Ideologische Grundlagen kann es keine Werte geben! Wer jede seine politischen Forderungen auf eine Werteorientierung zurückführen will (und nur so bleibt man glaubwürdig) der braucht dafür eine Ideologische Grundlage! Ob diese Grundlage sich nun auf liberalen, konservativen, christlich Sozialen oder auch marxistischen Ansätzen aufbaut, es ist die Basis meiner Werte. Der Respekt vor der Ideologie des Anderen, die eigenen Ansichten nicht für die Gott (oder woran immer man glaubt) gegebene Wahrheit zu halten, das sind die Grundpfeiler der Demokratie.

Und es Gilt: Die hohe Kunst der Politik ist es, wenn der einzelne Politiker/die Politikerin, jede Entscheidungen ideologisch und werteorientiert begründen kann – dann, und nur dann, ist die Politik und damit auch der Politiker glaubwürdig!